„Das ist meiiiiiiiiiiiiine!“
„Lass mich in Ruhe!“
„Gib das her!“ – „Das darfst du aber nicht und das ist voll gemein!“ – „Du machst das immer!“ – „HÖR AUUUUUUUUUUUUUUF!“
Familien mit mehreren Kindern sind nie vor Streitereien gefeit, denn so ein Familienleben kann echt UNFAIR sein, denn NICHTS DARF MAN und DIE BEKOMMT IMMER ALLES UND ICH NICHTS! Kennst du das? Zanken gehört irgendwie dazu, wenn man Geschwister hat und für die Entwicklung der Kinder scheint es dafür gute Gründe zu geben. Sie lernen den sozialen Umgang, sich zu behaupten, Niederlagen einzustecken, Kompromisse einzugehen usw.
Meine Töchter gehören in puncto Geschwisterstreit zur Risikogruppe (gleichgeschlechtlich, geringer Altersabstand), streiten sich zum Glück aber doch verhältnismäßig wenig. Nur manchmal balgen sie sich wie Katz und Maus und geben dem Familienfrieden keine Chance. Wieso ist das so? Lasst uns der Sache mal auf den Grund gehen!
Ist das normal, wenn Geschwister den ganzen Tag streiten?
Der Streit zwischen Geschwisterkindern nervt und scheint zugleich völlig normal zu sein. Alle Geschwister streiten doch, oder? Hat man sich nicht früher auch immer mit dem Bruder oder der Schwester ständig in die Haare gekriegt? Nichts scheint normaler, als das sich die eigenen Kinder hin und wieder oder auch den ganzen Tag nicht grün sind.
Ist Geschwisterstreit aber wirklich so normal?
Ja, sagen Entwicklungsforscher zu dem Thema. Das Streiten zwischen Geschwistern sei extrem lehrreich und vermittelt nützliche Kompetenzen für das Zusammenleben.
Beim Streiten lernen die Kinder:
- eigene Bedürfnisse durchzusetzen
- sich von anderen abzugrenzen
- mit Niederlagen umgehen zu können
- sich zu entschuldigen
- Entschuldigungen anzunehmen
- Kompromisse und alternative Lösungen zu finden
Müssen Kinder also streiten?
Auch wenn das Streiten wichtige Kompetenzen schult, „müssen“ Kinder nicht zwangsläufig streiten, ganz im Gegenteil. Viel wichtiger ist es für die Kleinen, wenn sie lernen, wie Auseinandersetzungen auch ohne Beleidigungen und Rangeleien gelöst werden können.
Tatsächlich ist es wohl so, dass sich Geschwister gegenseitig erziehen und dass der Umgang miteinander die Basis für spätere Beziehungen legt. Natürlich ist die Eltern-Kind-Beziehung ebenfalls wichtig, doch das Besondere an Geschwistern ist die „Gleichheit“: während Eltern gleichzeitig auch immer Erzieher sind, stehen Geschwister auf nahezu gleicher Stufe und haben ähnliche Bedürfnisse.
Ein Macht-Gefälle, wie es bei Interaktionen zwischen Eltern und ihren Kindern immer existiert, gibt es bei Geschwistern grundsätzlich nicht, auch wenn Geschwister es immer wieder zu etablieren versuchen.
Älter Kinder als Tutoren ihrer Geschwister
Vielleicht hast du auch schon beobachtet, wie ältere Kinder ihrer kleinen Schwester oder ihrem kleinen Bruder Regeln aufzwingen wollen und genau aufpassen, was er treibt. „Das darfst du nicht machen!“, „das ist falsch!“, „Mach nicht so eine Unordnung!“ Ältere Geschwister versuchen immer wieder, die Kleineren zu erziehen, zum Teil auch erfolgreich, und verschieben damit das Macht-Gefälle zu ihren Gunsten.
Übrigens geht man davon aus, dass Erstgeborene auch deswegen intelligenter als ihre Geschwister sind, weil sie gegenüber dem kleinen Geschwisterchen eine Tutorrolle einnehmen. Einige Studien legen nahe, dass durch das Erklären, Aufpassen und Rücksicht nehmen wahrscheinlich ihre Intelligenz gefördert wird.
Warum streiten Geschwister ständig? – von Konkurrenz & Kooperation
Die Familie ist ein eigener kleiner Mikrokosmos, in dem die Kinder aufwachsen und ihre eigenen Erfahrungen machen und vieles ausprobieren müssen. Der eigene Willen wird dabei nicht nur den Eltern gespiegelt, sondern auch den Geschwisterkindern auferlegt. Je nach Alter ist es den Kindern dabei nicht möglich, sich in Bruder oder Schwester „hineinzufühlen“. Diese Fähigkeit wird erst ab 5 Jahren entwickelt und ist ein Prozess über mehrere Jahre.
Zum Glück hat uns die Evolution zwei Überlebensstrategien mit an die Hang gegeben: neben der Konkurrenz (dem Streit) gibt es nämlich auch noch die Kooperation. Beide gehen in Familien Hand in Hand und Eltern sollten ihren Kindern zeigen, wie wichtig das Miteinander, also die Kooperation) ist.
Wie kann ich ein positives Miteinander fördern?
Als unsere zweite Tochter geboren wurde, hatten wir das Glück, dass Maxi selbst noch sehr klein war und keine Eifersucht entwickelte. Mit 17 Monaten wurde sie zur großen Schwester und schien sich nicht an das Leben „vorher“ zu erinnern, in welchem sie der Mittelpunkt unserer Familie gewesen war. Zudem brauchte sie ebenfalls die volle Aufmerksamkeit und hatte keine untergeordnete Priorität. Sie war genauso bedürftig wie das Baby und musste sich nicht hinten anstellen. (Nicht einfach für uns Eltern, aber so war die Lage.)
Trotzdem gibt es viele Situationen, in denen sich die Kinder ungerecht behandelt fühlen oder in denen sie einfach sauer auf die Schwester sind. Und wisst ihr was? Das ist okay! Lasst euren Kindern auch mal ihre Gefühle, anstatt sie wegwischen zu wollen.
„Jetzt vertragt euch wieder!“
Eltern wünschen sich eine Happy Family, was häufig in einer erzwungenen Versöhnung endet und eine unterschwellige Wut schürt, die Kinder nicht richtig verarbeiten können, sondern weiter mit sich herumtragen. Die Versöhnung führt zum Gegenteil: Das Geschwisterkind wird immer blöder, je mehr Wut nicht raus darf, sondern angestaut wird.
Daher lasse ich meine Töchter auch mal wütend aufeinander sein oder gebe ihnen Rückzugsorte voreinander. Das muss kein eigenes Kinderzimmer sein, es reicht schon, wenn sie im Wohn- oder Schlafzimmer alleine sein dürfen. Vor allem die Große fordert in den letzten Monaten häufiger Zeit für sich ein, in der die kleine Schwester nicht dabei sein soll. Klar: Sie steht in der Schule oft genug unter Strom und braucht ihre Auszeiten.
Von sich aus kann Purzelchen sich nicht in Maxi hineinfühlen. Auch Maxi kann sich nicht in Purzelchen hineinfühlen, denn beidee vertreten nur ihren eigenen Willen und sind wütend aufeinander. Wenn sie den Konflikt nicht von allein lösen, dann greife ich ein, ohne ihnen zu sagen, was sie fühlen müssen. Sie dürfen fühlen, was sie wollen, denn nur so lassen sich Wut, Ärger und Zorn verarbeiten.
Wichtig ist, Verständnis aufzubringen. Auch an Purzelchen muss in diesem Beispiel natürlich gedacht werden. In solchen Fällen schaue ich, dass meine kleine Tochter anders beschäftigt wird und z. B. Papa in der Küche hilft, mit mir raus geht oder wir etwas zu zweit spielen.
Geschwister streiten um Spielzeug
Wie sieht es bei einem klassischen Streit um Spielzeug aus? Zunächst kann man den Kindern Zeit geben, ihren Streit selbst zu lösen. Sollte das nicht gelingen, empfehle ich, sich NICHT auf eine Seite zu stellen. Drei Situationen & Lösungen treten häufig ein:
- Das Spielzeug gehört einem der Kinder >>> das andere Kind soll das Spielzeug hergeben.
- Ein Kind hat zuerst damit gespielt >>> das Kind hat ein Anrecht auf das Spielzeug
- Ein Kind spielt selten mit dem Spielzeug >>> „Lass es doch auch mal damit spielen.“
So „logisch“ uns alle dieser drei Optionen scheinen, so schwierig ist es für die Kinder manchmal zu verstehen. Oft kommt nur an: „Papa ist wieder gegen mich!“ oder „Das andere Kind wird mehr geliebt als ich!“ Das tritt vor allem dann ein, wenn der Fall nicht eindeutig ist, also das Spielzeug zwar dem großen Kind gehört, aber das kleine Kind zuerst damit gespielt hat – was dann?
Eltern sollten hier sehr feinfühlig sein, aber vor allem auch das „benachteiligte“ Kind ernst nehmen. Wir können z. B. alternative Spielzeuge anbieten oder Zeit mit den Eltern („Komm, dann spielen wir etwas zusammen!“) oder man vereinbart eine zeitliche Abwechslung. In jedem Fall aber sollten Eltern Verständnis zeigen. „Ich verstehe, dass du deswegen gerade wütend bist.“
Was auch wichtig ist: Beobachten wir uns selbst! Bevorzugen wir vielleicht wirklich ein Kind? Purzelchen darf z. B. immer auf meinem Fahrrad-Gepäckträger sitzen, wenn ich sie vom Kindergarten abhole, während Maxi laufen muss. Das liegt daran, dass Purzelchen manchmal wirklich anstrengend sein kann. Sie läuft dann nicht, sie bleibt bockig stehen und kommt einfach nicht…
Ich will mir also den Stress ersparen, in dem ich Purzelchen schiebe. Ist das gegenüber Maxi fair? Nein, natürlich nicht. Ich verstehe auch, wenn sie deswegen sauer ist und wir haben uns jetzt ausgemacht, dass ich sie zuerst von der Schule abhole und sie dann zumindest das Stück von der Schule bis zum Kindergarten schiebe. (Und der Kompromiss funktioniert!)
Geschwister streiten um Zuneigung der Eltern
Aus evolutionärer Sicht ist es tatsächlich wichtig, das bevorzugte Kind zu sein – so bekommt man am meisten Schutz, Nahrung und Zuwendung und das Überleben ist gesichert.
Uns Eltern kann das Buhlen um Zuneigung mitunter wirklich stressen, denn einfach ALLES wird auf die Goldwaage gelegt. So ist es bei uns auch und wir spielen dieses Spiel tatsächlich mit, denn wenn alles in Balance ist, sind auch die Kinder deutlich ausgeglichener. Das geht bei uns sogar so weit, dass die Kinder Weihnachten die gleichen Geschenke bekommen haben – das verringert das Streitpotential extrem! Und beide Kinder fühlen sich auch nicht benachteiligt.
Unternehmungen machen wir meistens gemeinsam als Familie. Ist aber mal ein Kind alleine unterwegs (zu Besuch bei Freunden oder auf einem Kindergeburtstag), bescheren wir dem anderen Kind auch eine schöne Zeit. Mein Mann geht dann z. B. häufig mit dem Kind ins Schwimmbad.
Geschwister streiten um Süßigkeiten
Süßigkeiten können ein Streitpunkt sein, bei uns sind sie das allerdings nicht, denn auch hier gilt unser Grundsatz der Gleichheit: jedes Kind bekommt das Gleiche! Die Töchter haben das Prinzip schon so verinnerlicht, dass sie manchmal aus dem Kindergarten kommen: „Mama, Maxi darf heute noch Gummibärchen essen. Ich habe im Kindergarten welche bekommen!“
Um in Balance zu bleiben, müssen Süßigkeiten zu gleichen Teilen in die Kinder wandern. So macht sich Maxi jetzt schon Gedanken darüber, dass Purzelchen zur Faschingsfeier nächsten Monat im Kindergarten Unmengen Süßkram essen können wird – Was ist da denn mit ihr? Natürlich werden wir auch diese Völlerei am Nachmittag wieder ausgleichen, damit beide Sprösslinge überzuckert sind.
Geschwister streiten nur – Was tun?
Zu Guter letzt folgen hier noch einige Tipps, um mit Streitigkeiten etwas besser umzugehen:
- Fördere die Kooperation der Kinder. Teile z. B. nicht du die Süßigkeiten auf, sondern lass es eins der Kinder übernehmen. Meiner Erfahrung nach wird das Kind sehr genau dabei vorgehen.
- Erkenne dich als Spiegelbild. Die Kinder ahmen dich und dein Verhalten nach. Wie gehst du mit einem Streit um? Schreist du rum, redest du nicht darüber oder schluckst du alles runter? Versuche ein positives Vorbild zu sein.
- Sei loyal gegenüber allen Kindern. Versuche immer beide Kinder zu verstehen, auch wenn du eigentlich auf der Seite eines Kindes bist.
- Bewahre Ruhe. Leichter gesagt als getan, aber du bist gerade der Fels in der Brandung. Schrei nicht rum, sprich keine Strafen aus, sondern nimm dich den Raufbolden an und zeige Verständnis. So können sich die Kinder langsam wieder abreagieren.
- Schenke beiden Kindern auch einzeln Zeit. Ausflüge sind toll, aber auch im Alltag hat jedes Kind das Bedürfnis, dass ihm mal die alleinige Aufmerksamkeit zukommt: beim kuscheln lesen, zusammen malen oder Hausaufgaben machen.
- Formuliere klare Regeln. Sie geben dem Zusammenleben innerhalb der Familie Struktur und vermeiden dadurch Streit.
- Beachte kritische Zeiten. Sind die Kinder müde und überdreht, kann man von ihnen keine Kooperation erwarten. Dann hilft es nur, die Sache auszuhalten und die Kinder z. B. möglichst schnell ins Bett zu bekommen.
Weg von der Konkurrenz hin zur Kooperation
Letztlich gibt es kein Geheimrezept gegen den Zoff, denn viele Streitereien sind von der Persönlichkeit der Kinder abhängig. Wir Eltern brauchen viel Verständnis und Einfühlungsvermögen, um die Konkurrenz in Kooperation umwandeln zu können.
Wir alle wünschen uns, dass unsere Kinder ein Team sind und tatsächlich lässt sich dies ein Stück weit fördern. Wenn ein Kind Hilfe braucht, schicke es auch mal mit der Bitte zur Schwester. So können die Kinder lernen, sich gegenseitig im Alltag zu helfen, und sie merken, wie wertvoll der andere ist. Nicht nur als Spielpartner, sondern als Problemlöser und Unterstützer.
deine

Schöner Artikel mit hilfreichen und konkreten Tipps! Manche auch für Erwachsene anwendbar!…😉 Lg, Sarah
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Danke, Sarah. An Erwachsene habe ich dabei noch gar nicht gedacht, aber das ist ein interessanter Gedanke 🙂
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Zitat:
„Letztlich gibt es kein Geheimrezept gegen den Zoff, denn viele Streitereien sind von der Persönlichkeit der Kinder abhängig.“
Das ist das Problem. … Ich wäre lieber als Einzelkind aufgewachsen – oder eben noch mit einem halbwegs normalen Geschwister, das sich enthront fühlt und regelmäßig über einen zu bestimmen versuchte, notfalls gewaltsam.
Eltern können meines Erachtens nicht unbedingt etwas dafür, wenn das Geschwisterverhältnis schlecht ist. Jedes Kind bringt ja seine eigene Persönlichkeit und unterschiedliche Fähigkeiten mit, z. B. eine unterentwickelte Empathie, dissoziale Züge etc.. Das kann man nicht wegerziehen.
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Das tut mir Leid, dass du das erleben musstest. Ich denke allerdings, dass dies wiederum ein Sonderfall ist, wenn eines der Kinder grundsätzlich nicht sozial eingestellt ist. Oft haben die Kinder für sich genommen aber durchaus gut entwickelte soziale Fähigkeiten, nur mit den Geschwistern geraten sie immer wieder aneinander. Man kann das zwar nicht komplett abstellen, aber doch etwas entschärfen.
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Danke. Und ja, ich denke auch, das ist ein Sonderfall.
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*als mit einem Geschwister, das sich entthront fühlt
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