Wackeln die Zähne, wackelt die Seele?

In der sächsischen Zeitung wurde am Mittwoch eine Leserfrage beantwortet, die da lautete:

„Ich bin mir nicht sicher, ob mein fünfjähriger Sohn eine Psychotherapie braucht. Er ist derzeit sehr auffällig im Verhalten: Er schreit mich sofort an, wenn ich Nein sage und findet alles unfair. Zunehmend komme ich an meine Grenzen. Könnte auch mehr dahinterstecken, zum Beispiel eine ADHS?“

Prof. Veit Rößner hat sich dieser Frage angenommen, sich dabei allerdings sehr auf mögliche Probleme des Kinder oder der Familie konzentriert. Etwas zu kurz kam die Tatsache, dass diese Entwicklung großer Wahrscheinlichkeit nach völlig normal ist.

Keine Sorge – Ich bin jetzt in der Wackelzahnpubertät

Hoch hinaus in der Wackelzahnpubertät
Jetzt geht es hoch hinaus – am liebsten ohne Eltern

Das erste Mal stieß ich auf das Thema, als mir eine Freundin von ihrer Tochter erzählte. „Immerzu knallt sie mit den Türen oder gibt freche Antworten. Machen wir etwas falsch? Sind wir zu streng?“

… Hui – das müssen wir erst einmal googeln.

Das tat ich also auch und voilà! Da hatten wir es auch schon: das Kind befand sich in der „Wackelzahnpubertät“. Das ist ein kleines, aber mächtiges Erdbeben, bei dem die Kinderseele ab und zu heftig wackelt.

Wann beginnt die Wackelzahnpupertät?

Vielleicht habt ihr auch schon einmal den Spruch gehört: „Wackeln die Zähne, wackelt die Seele“? Die Wackelzahnpubertät beginnt mit etwa 5 1/2 Jahren. Ab diesen Moment sind eure Kinder nicht mehr länger klein, sondern entwickeln sich zu großen Kindern. Sagt Tschüs zur Kleinkindzeit und herzlich willkommen zur Großkindzeit.

Nun geht´s weiter mit wackligen Zähnen, Stimmungsschwankungen, aber auch neuen Fähigkeiten und der Schulzeit.

Die 6-Jahres-Krise oder Wackelzahnpubertät – Was ist das?

Den Begriff Wackelzahnpubertät brachte meine Schwester schließlich ins Spiel. Auch als die 6-Jahres-Krise oder als erste Gestaltwandlung ist diese Phase bekannt (und die Pubertät ist dann entsprechend die zweite Gestaltwandlung). Das zeigt schon, welche Dimension die Entwicklungsphase hat. Leider haben die meisten Eltern die Frage gar nicht auf dem Schirm.

Die Gestalt der Kinder wandelt sich.

Das putzige Kleinkind wird nun ein Großkind mit eigenen Vorstellungen. Viele Situationen sind daher nun mega „unfair“ und „ungerecht“. Die Kinder wollen immer mehr mitbestimmen, haben eigene Ziele und Vorstellungen von der Welt und keinen Bock mehr auf Erwachsene – und im nächsten Moment wollen sie kuscheln.

Wie verändert sich das Kind ab 5 1/2 Jahren?

Körperlich beginnt sich das Kind zu strecken und der Körper nimmt eine neue Form an. Während Kleinkinder noch ein bisschen pummelig mit großem Kopf durch die Welt laufen, definiert sich der Körper ab 5-6 Jahren neu. Die Muskeln zeigen sich, die Arme und Beine werden kräftiger und die Rückenmuskulatur prägt sich stärker aus. Die Kinder reagieren mit einem verstärkten Bewegungsdrang auf diese Veränderungen, um den neuen Körper immer wieder koordinieren zu lernen.

Und wie ist es mit dem Gemüt? Da zitiere ich einfach mal Goethe: „Himmelhoch jauchzend zum Tode betrübt“. Es ist fast, als habe er über ein 5 jähriges Kind geschrieben… Die Gefühle und die Energie des Kindes wackeln in der Phase ordentlich.

Was wir Eltern lassen sollten

Eher falsch sind diese Ansätze:

  • BOAH, JETZT KRIEG DICH MAL WIEDER EIN!
  • LASS DEINEN FRUST IN DEINEM ZIMMER AUS!
  • ICH HAB DA KEINEN BOCK MEHR DRAUF!
  • DU WEIßT JA GAR NICHT, WAS DU WILLST!

Tatsächlich sind die Kinder in dem Alter manchmal sehr anstrengend oder völlig antriebslos. Dann wird der kleinste Spaziergang schon zum Anlass zu heulen, zu schimpfen und immer wieder zu betonen: „Das ist so unfair! Ich will nicht mit laufen! Ich will zu Hause bleiben! Nie machen wir, was ich will!“

Tipps: Wie können wir Eltern uns verhalten?

Eltern fahren wohl am besten damit, wenn sie dem wackeligen Kind trotzdem mit Respekt begegnen, diesen aber auch für sich einfordern (Niemand muss sich beleidigen lassen). Wir müssen akzeptieren, dass die Gefühlsausbrüche ein normaler Entwicklungsschritt sind. Letztlich muss aber auch das Kind verstehen, dass eine Familie nur funktioniert, wenn nicht jeder immer „der Bestimmer“ sein will. Das ist nämlich für alle anstrengend und funktioniert nicht.

Kinder geraten auch in Wut, wenn ihnen etwas nicht gelingt, was sie sich vorgenommen haben. Dann sollten wir sie ermutigen und nicht ausbremsen. Sie sollen es ruhig immer weiter probieren, auch wenn sie ihre Ziele zu hoch gesteckt haben und uns ihr Frust leid tut. Lassen wir sie trotzdem immer und immer und immer wieder probieren, üben, an etwas tüfteln. Sie werden an diesen Erfahrungen wachsen.

Was sollten wir vermeiden?

  • „… schließlich gehst du doch bald in die Schule“
  • „Wie soll das in der Schule werden?!“
  • „Dann beginnt der Ernst des Lebens.“

Sprecht über die Großkindzeit nicht, als wäre sie etwas negatives. Das sorgt nur für Zweifel, Unzufriedenheit und Stress. Das Kind braucht aber gerade viel Mut und Selbstvertrauen – Betont daher eher die positiven Seiten der Schulzeit und des Größerwerdens.

Selbst erwachsene Menschen werden von Veränderungen verunsichert. Für Kinder ist dieser spürbare Wandel mitunter sehr schwierig und eine große Last. Da dürfen die Gefühle auch mal ausbrechen und die Seele wackeln, oder?

Wer hat mal etwas Geduld übrig?

Maxi ist übrigens gerade 5 1/2 Jahre alt und taucht in die Welt der Vorschule ein. Im Kindergarten gibt es gesonderte Programme, zu Hause hat sie einen Lük Kasten bekommen, sie löst gerne Rätselhefte und wir besichtigen morgen die erste Schule, die sie vielleicht besuchen wird. Alles ist neu und aufregend, aber auch fordernd und schwierig.

Obwohl es bis zum Schulbeginn noch ein Jahr hin ist, spüre ich den Gestaltwandel sehr deutlich. Der ganz normale Wahnsinn gehört nun zu unserem Leben dazu – Manchmal merkt man nichts davon; dann wieder kommt es einem wie ein Erdbeben vor.

Wackeln deine Kinder auch schon?

eure

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