Warum meine Töchter kein Smartphone haben

WhatsApp, TikTok, Pinterest, YouTube oder Handygames… Mit einem Smartphone lässt sich viel Zeit verbringen, aber brauchen Kinder ein (eigenes) Handy? Eine Freundin erzählte mir: „Meine Tochter ist jetzt in ihrer fünften Klasse die einzige (!) ohne ein Smartphone.“ Dass viele Kinder inzwischen technisch gut ausgestattet sind, merke ich auch. Und doch bin ich überrascht, denn wir reden in der 5. Klasse von Kindern, die gerade einmal 10 oder 11 Jahre alt sind. Ist das die Regel?

Ich fand zu dem Thema eine Marktforschung von November letzten Jahres, aus der hervorgeht, dass die Hälfte der Kinder mit 6-11 Jahren ein eigenes Smartphone erhalten werden und weitere 36 % zwischen 12-15 Jahren (Quelle: Marktforschung – Wann bekommen Kinder ihr erstes eigenes Smartphone?). Nun steht bei uns auch bereits im nächsten Jahr der Schulwechsel auf die weiterführende Schule an. Dann besucht Maxi die fünfte Klasse, voraussichtlich ohne Smartphone. Und Mini lernt aktuell in Klasse 2, auch ohne Smartphone.

Bislang haben wir kein Smartphone für die Mädchen geplant. – Wie ist das bei dir? Ab wann ziehen bei dir eigene Smartphones für die Kinder ein?

Aus folgenden Gründen machen Smartphones unglücklich

  • Kinder verlieren sehr viel Lebenszeit an dem Gerät.
  • Sie werden immerzu mit neuen Informationen versorgt, die sie aber nicht alle aufnehmen können.
  • In ihrem Smartphone wird es eine Parallelwelt geben, die ihnen vorgaukelt, dass andere Menschen schöner, schlauer, sportlicher, fleißiger, fröhlicher, tiefsinniger usw. sind. Das kann sie an schlechten Tagen ziemlich runterziehen.
  • Sie werden die Bestätigung mögen und immer neue Fotos/Texte ins Internet hochladen, die andere Menschen dann bewerten. Selten hat es den gewünschten Erfolg.
  • Sie werdent unproduktiv am Smartphone daddeln.

Gehirn und Herz werden durch das Smartphone einfach überlastet. Kinder sind aber nicht alleine mit diesen Problemen, denn selbst für viele Erwachsene wird der erste Griff am Morgen der nach dem Smartphone sein und sie nehmen es sogar mit aufs Klo.

Wenig Zeit im Alltag

Wann nutzen Kinder ein Smartphone?

Kinder spielen, Kinder basteln. Kinder machen Hausaufgaben und treffen sich mit Freunden. Kinder stricken und bauen und gehen ihren Projekten nach, für die – sind wir mal ehrlich – die meisten Tage ohnehin schon zu kurz sind. Wenn bei uns der Abend eingeläutet wird mit Zähne putzen und Schlafanzug anziehen, stöhnen beide Kinder auf „Ich wollte doch aber noch …“.

Gerade jüngere Kinder haben den Kopf voll Ideen, einen großen Bewegungsdrang und viel Lust, ihre Zeit mit Freunden zu verbringen. Nicht zu vergessen die Hobbys. So besucht meine große Tochter (9 Jahre) aktuell den Flötenunterricht + Flötenspielkreis im Anschluss und hat sich für die Russisch-AG sowie die Schülerzeitung ihrer Schule angemeldet. Beidem geht sie mit Leidenschaft nach. Aktuell versucht sie auch noch in die Theatergruppe der Schule einzusteigen, womit dann fast alle Nachmittage gut gefüllt sind.

Am Wochenende, klar, da ist mehr Zeit und man kann zusammen „7 vs. Wild“ schauen oder auf der PlayStation „Lego Harry Potter“ spielen. Eine Zeitlang fanden die Kinder das Handyspiel „Toca Boca“ gut und Mini schaut hin und wieder in die Anton-App hinein. Dafür reichen dann aber die vielen Geräte, die wir schon zu Hause haben und es braucht kein eigenes Smartphone.

In einem Brief an mein jüngeres Ich habe ich übrigens auch schon einmal erklärt, warum ich heute so „streng“ mit Medien bin.

Großer Suchtfaktor

Viele Kinder verlassen das Schulgelände und schauen als erstes auf ihr Handy. Auch Erwachsene tun dies. Darum habe ich mir auch eine Schlafbox für mein Smartphone gebaut. Wir können unser Smartphone-Verhalten als „New Normal“ wahrnehmen, aber wir sollten auch ehrlich zu uns selbst sein: die Handysucht tut unserer Psyche nicht gut. Und jede App ist leider darauf ausgerichtet, Nutzer*innen durch Push-Nachrichten immer wieder ins Spiel zu holen. So verdatteln wir Stunden – ohne es zu wollen. Ohne dass es zufrieden macht.

Falls ihr es noch nicht kennt, empfehle ich die Netflix-Serie „Das Dilemma mit den sozialen Medien„. In dieser aktuellen Serie wird gezeigt, wie durch gezieltes Produktdesign das Suchtpotenzial mit Absicht erhöht wird und welche Auswirkungen dies auf die psychische Gesundheit ausübt. Auch Themen wie steigende Selbstmordraten bei Teenagern und die Verbreitung von Fake News werden beleuchtet. – Nach dem Anschauen denkt auch jeder Erwachsene darüber nach, was das Smartphone mit ihm macht!

Darüber hinaus hat Jan Böhmermann vor etwa einem Monat eine Sendung zum Thema „In-Game-Käufe – Abzocke ohne Altersbeschränkung | ZDF Magazin Royale“ veröffentlicht. Da ich selbst schon aktiv Handyspiele getestet habe, kann ich bestätigen, dass die psychologischen Tricks heftig sind, mit denen versucht wird, den Spielenden Geld aus der Tasche zu ziehen. Meine Kinder spielten auf meinem Handy „Toca Boca“ und ja, sie fragten danach! „Kaufst du uns die Villa? Der Papa meiner Freundin hat ihr diese Villa gekauft. Sonst nichts, nur die Villa. Das ist auch gar nicht so teuer.“ Sogar die Schul-App „Anton“ zeigt den Kindern schönere Accessoires an, die sie haben könnten, wenn die Eltern für die App bezahlen (Das Geld fließt dann immerhin in die App-Entwicklung.)

Weniger Kreativität als angepriesen

Viele Eltern oder Medienpädagogen betonen, dass die Kinder nicht von Smartphones ferngehalten werden sollten. Man könne die Geräte sehr kreativ nutzen und Podcasts drehen oder Stop-Motion-Filme, etc. Aber mal ehrlich: wie viele Kinder nutzen ihr Smartphone tatsächlich so kreativ?

Ich habe mit den Kindern tatsächlich schon Hörspiele aufgenommen, allerdings am PC, weil ich hier deutlich mehr Möglichkeiten habe. Auch habe ich mit Mini einen Erklärfilm gedreht und einen wunderschönen Stop-Motion-Film. Meine Tochter hat sich auch schon an einem Animationsfilm versucht, allerdings in einer App, die uns mit Werbung so überschüttet hat, dass der Spaßfaktor immer weiter sank. Mini hat mit ihrem Papa – ebenfalls am Rechner – auch schon einmal ein Computerspiel gebaut und sie hat mit dem Handy einen Film gedreht, bei dem ich mitspielen musste.

Selbstverständlich können Kinder Smartphones kreativ nutzen – und meine Töchter dürfen sich jederzeit mein Handy ausleihen, wenn sie ein digitales Projekt umsetzen möchten. Ich stehe ihnen da nicht im Weg. Ehrlicher Weise wollen sie aber zu 90 % einen Film schauen oder ein Spiel spielen. Vielleicht WhatsApp schreiben in der Familiengruppe. Von daher halte ich die Idee, Smartphones kreativ zu nutzen, zwar für sehr gut und wir alle sollten das mehr tun, glaube aber nicht daran, dass Kinder ihre eigenen Handys auch tatsächlich durchweg kreativ einsetzen. Das wird eher die Ausnahme sein.

Eltern sollten gezielt zu kreativen Projekten anleiten, statt ihren Kindern ein Handy zu geben und zu erwarten, dass sie es dann bestimmt auch gestalterisch einsetzen. Nur weil ein Gerät etwas kann, muss es nicht so genutzt werden.

Cybermobbing, Schönheitswahn, Gewalt, Sex, Perversion und Verbrechen

Muss ich zu den oben genannten Begriffen etwas schreiben? Es gibt viele Gründe, die gegen ein Smartphone sprechen und die ich als Eltern vorab besprechen, begleiten oder sogar verhindern kann, aber gegen das gesamte Internet kommt keiner an. Spätestens wenn Kinder öffentlich gemobbt werden oder ihren Körper aufgrund von Instagram hinterfragen, steht man Angesicht in Angesicht mit der Gefahr eines Smartphones. Risiken aus dem realen Leben gehen durchs Netz wie durch einen Katalysator: plötzlich braucht der Junge unbedingt die Nike Air Force 1 und das Mädchen hört auf zu essen für eine Thigh Gap (Oberschenkellücke).

Auch Gewalt, Sex oder Perversionen begegnen Kindern online – das Netz ist voll davon.

Nach wie vor sind zudem Verbrechen im Internet eine große Gefahr. Viele junge Menschen haben zu wenig Lebenserfahrung und treffen sich mit Menschen aus dem Internet. Es gibt so viele Horrormeldungen wie die der 13-jährigen Maria und ihrem 52-jährigen Entführer oder die Nachricht, wie ein Cyber-Stalker ein junges Mädchen in den Tod trieb oder auch 14-Jährige lernte ihren Mörder im Internet kennen… Hier gilt es, mit den Kindern über solche Risiken zu sprechen und auch darüber, was im Internet erlaubt ist und was man besser lassen sollte (Nacktbilder, Adresse weitergeben, etc.).

Vertrauen in die Kinder

Unsere Töchter sind inzwischen 8 und 9 Jahre alt und bewegen sich zum Teil schon in einem größeren Radius in der Stadt. Zu Fuß oder mit dem Bus. Ohne Eltern. Obwohl ein Smartphone naheliegend wäre, um die Kinder immer erreichen zu können, haben wir uns vorerst dagegen entschieden. Und wenn etwas schief geht? Maxi stand tatsächlich schon alleine vor der Tür und konnte sie nicht aufschließen – sie hat dann eine Nachbarin um Hilfe gefragt und das Problem auf andere Weise gelöst. Eigenständig. Und auch wenn es im ersten Moment ein Schreck für die Kinder ist, allein ein Problem lösen zu müssen – auch daran können sie wachsen. (Und wenn es keine Lösung findet, bleibt das Kind zur Not einfach vor der Tür sitzen, bis die Eltern nach Hause kommen.)

Es hilft sehr, mit den Kindern Situationen und Lösungsideen durchzusprechen. Was passiert, wenn du den Bus verpasst? Oder eine Station zu weit fährst? Was passiert, wenn du jemanden besuchen willst und derjenige dann nicht zu Hause ist?

Und Freundschaften?

Für die Kommunikation mit Freund*innen nach der Schule gibt es drei Möglichkeiten:

  • Einfach vorbei gehen. Es spricht nichts dagegen, bei dem Freund oder der Freundin zu klingeln und zu fragen, ob man zusammen spielen möchte.
  • Auf dem Festnetztelefon anrufen. Tatsächlich haben wir noch ein Festnetztelefon und es wird von den Kindern gut und gerne genutzt.
  • Über die Eltern. Falls die ersten beiden Möglichkeiten nicht funktionieren, können die Eltern über ihr Handy anrufen oder die Kinder selbst.

Was denkst du? Ab welchem Alter macht ein Smartphone Sinn?

deine

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3 Kommentare zu „Warum meine Töchter kein Smartphone haben

Gib deinen ab

  1. Ich bin echt so erleichtert, endlich mal einen kritischen Text zum Smartphone zu lesen. In der Blogosphäre finde ich sonst fast ausschließlich das von Dir genannte Argument, man solle die Kinder nicht vom „wirklichen“ Leben ausschließen.
    Ich sehe es genauso wie Du, lese gerade ein Buch dazu (Heute mal bildschirmfrei) und bin, seit ich das Buch angefangen habe, mehr denn je überzeugt, dass es gut ist, den Start mit dem Smartphone hinauszuschieben. Daddel ich selbst am Handy? Ja, viel zu viel. Aber muss ich das deshalb auch für meine Kinder zulassen? Nein.

    Gefällt 1 Person

    1. Danke für deinen Kommentar. Ich kann mir vorstellen, dass für uns das Thema mit Beginn der weiterführenden Schule nächstes Jahr mehr Relevanz gewinnt. Aktuell denke ich noch, man soll „keine schlafenden Hunde wecken“ – ein Smartphone ist nicht notwendig und bringt ehrlicher Weise wenige Vorteile, aber viele Nachteile. Aber wenn das Alter der „Klassenchats“ der Kinder untereinander startet oder sich die Kids nur noch via Smartphone verabreden, ist natürlich das Thema AUSSCHLUSS ein ganz anderes. Hier würde ich aber erstmal abwarten. Meine Tochter regelt ihre Freundschaften ja bisher auch gut ohne Smartphone.

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