Vielleicht ist es euch schon aufgefallen, dass wir kein Auto haben? Und nie eins besessen haben? Ich denke, in einer Großstadt ist das nichts ungewöhnliches, auch wenn die meisten Menschen trotzdem ein Auto haben. „Das geht gar nicht anders mit Kindern„, hört man. Mir sind aber inzwischen schon viele andere Familien begegnet, die ohne Auto auskommen. Hier möchte ich unsere Tipps und Erfahrungen schildern – vielleicht inspiriert es euch, auch öfter mal das Auto stehen zu lassen.
Versteht den Blogartikel bitte nicht als Aufforderung, es uns gleich zu tun. Ich behaupte bewusst nicht „Was wir können, könnt ihr auch“, denn jede Familie lebt anders, hat ganz andere Herausforderungen und Möglichkeiten. Ich möchte lediglich einen Einblick in unser Leben ohne Auto geben.
Im Artikel „Klimafreundlich mobil – Ein Stadt-Land-Vergleich“ der Sächsischen Zeitung (Nur für Abo-Kunden) habe ich 2020 den Part der Stadtbewohner übernommen – Lest auch gern dort mal rein.
10 Gründe, warum wir ohne Auto leben
Unsere Gründe für die Autolosigkeit sind schnell aufgezählt:
- Sicherheit: Es gibt rund 2,5 Millionen Verkehrsunfälle jedes Jahr in Deutschland und ca. 2.700 Menschen sterben durch einen Autounfall.
- Finanzen: Ein Wagen der Mittelklasse kostet im Schnitt 400 €/Monat (4.800 € im Jahr) an Unterhalt. Das ist viel Geld, das wir uns gern sparen.
- Fitness: Jeder Gang macht schlank, sagt man. Ich würde sagen: jeder Gang macht fit. Wir zahlen also auf unsere Gesundheit und die Gesundheit der Kinder ein, weil wir uns mehr bewegen.
- Gutes Gewissen: wir beteiligen uns nicht an der Luftverschmutzung und der Umwandlung von wertvollen Flächen in Parkplätze.
- Die Stadt entdecken: Zu Fuß oder mit dem Rad entdecken nehmen wir unsere Umgebung mehr wahr, entdecken Lost Places und unbekannte Ecken.
- Frischluft: Es ist so schön, sich draußen zu bewegen und richtig durchatmen zu können (auch in der Stadt tatsächlich).
- Schöneres Reisen: Im Zug können wir uns alle frei bewegen, miteinander spielen, kuscheln und uns vorlesen.
- Entspannung: Die Psyche freut sich drauf, beim Laufen oder Radfahren „abschalten“ zu können. Eine Strecke von einer Stunde scheint weit, doch der Kopf nutzt die Zeit zur Entspannung. Wann haben wir sonst mal „Leerlauf“?
- Umweltschutz: Ohne Auto zu leben ist ein guter Beitrag, um unseren Planeten zu schützen.
- Großstadt-Luxus: In Großstädten fahren Busse, Straßenbahnen und Taxis. Man kann sogar an jeder Ecke Fahrräder oder E-Scooter ausleihen. Was braucht man da ein Auto?
Ohne Auto mobil sein: Unsere Lösungen als Familie
Wie bestreiten wir mit unseren beiden Töchtern (6 und 8 Jahre alt) unseren Alltag? Wie ist es mit dem Reisen? Einkaufen? Und was passiert, wenn man nachts irgendwo nicht mehr wegkommt? Vielleicht fragt ihr euch, wie wir bestimmte Situationen meistern?
Ich habe mir dazu Gedanken gemacht und möchte euch zeigen, wie wir es schaffen, seit 8 Jahren mit Kind(ern) ohne Auto zu überleben.
Leben ohne Auto Nummer 1 – Schnell mal zum Kinderarzt
Ihr kennt bestimmt die Situation, in der ihr mit eurem Kind „jetzt sofort“ zum Arzt müsst und dafür keine Stunde zu Fuß / mit dem Fahrrad / per Bus unterwegs sein wollt. Das möchte man einem kranken Kind oder gar Baby nicht zumuten – gerade bei Regen oder Sturm. Und es regnet oder stürmt immer in solchen Situationen.
Lösung: Wir rufen einfach ein Taxi. Ja, das kostet Geld, aber für uns waren das in Bonn bisher immer „nur“ maximal 30 € von zu Hause bis zum Kinderarzt. Das ist eine überschaubare Summe, die selten anfällt. Bei normalen Krankheiten haben wir uns die 15 Minuten in den Bus gesetzt.
In Dresden liegt unser Kinderarzt inzwischen nur 13 Minuten Fußweg entfernt, ebenso wie die Kinder-Notfallpraxis. Hier brauchen wir also nicht einmal das Taxi, sondern laufen schnell mal „rüber“. Ein superkrankes Kind könnten wir auch im Bollerwagen hinziehen.
Leben ohne Auto Nummer 2 – In den Urlaub fahren
„Los Kinder, rein ins Auto – Wir fahren jetzt in den Urlaub.“ So spontan ist Verreisen für uns natürlich nicht. Aber Urlaub möchten wir natürlich trotzdem machen oder woanders hin verreisen. Wir waren zum Beispiel schon ohne Auto im Urlaub im Spreewald. Und hat das Bungalowdorf am Briesensee gut gefallen.
Lösung: Die Bahn.
Ich empfehle für eine Bahnreise meinen Blogartikel Kleine Kinder in der Bahn beschäftigen – 5 hilfreiche Tipps. Mit diesen Tipps seid ihr startklar!
Ich habe viel Haarsträubendes, aber auch schon schöne Fahrten mit der Bahn erlebt. Wir planen und buchen unsere Reisen im Voraus – die Kids fahren dabei sogar bis 12 Jahre kostenlos mit. Wenn keine Züge ausfallen, sind die Fahrten sogar entspannter als mit dem Auto. In diesem Jahr fuhren wir zum Beispiel nach Bautzen in die Ferien – das ging sogar mit der Regionalbahn.
Bei den Reisezielen für den Familienurlaub ohne Auto sind wir natürlich eingeschränkter: Wir richten uns stets danach, wo wir gut hinkommen können, denn 4mal umsteigen macht auch keinen Spaß mit Kindern. Da wir in einer Großstadt starten, lassen sich andere Städte aber recht gut und schnell ansteuern. Nur bei Dörfern wird es dann eng, wenn die Busse selten oder gar nicht fahren.
Auch über Unsen Urlaub in Zeiten von Corona habe ich geschrieben.
Leben ohne Auto Nummer 3 – Einkäufe nach Hause buckeln
Wie stemmt man den Einkauf für vier Personen, wenn vor dem Aldi kein Auto parkt, das man beladen könnte? Schwere Wasserkästen, Kartoffeln, Waschpulver… Das soll alles nach Hause, aber wie?
Lösung: Gegen schwere Getränkekästen hilft uns vor allem eins: Sie nicht zu kaufen. Wir haben uns angewöhnt, nur noch Wasser zu trinken und das kommt direkt aus der Leitung. Ich mag gern Sprudel, deshalb haben wir uns einen Sodastream angeschafft.
Außerdem machen wir keinen einmaligen, großen Wocheneinkauf, sondern besuchen die Supermärkte nahezu täglich. Falls doch ein großer Einkauf ansteht, ziehe ich auch schon mal mit dem Bollerwagen los. Die Kids haben dann Spaß daran, sich mit hineinzusetzen und sich ziehen zu lassen.
Leben ohne Auto Nummer 4 – Wie kommen wir ohne Auto zur Arbeit, Kita, Freunden usw.?
Vielleicht kennt ihr das Dilemma, dass man sich ständig „auf dem Weg zu irgendwas“ befindet. Von Zuhause zur KiTa, von der KiTa zur Arbeit, von der Arbeit zur KiTa, zum Einkaufen, zu Freunden, zu Spielplatz und so weiter. Wie kann man das ohne Auto hinbekommen?
Lösung: Wir achten sehr auf kurze Wege. Bereits bei der Wohnungssuche habe ich mich daran orientiert, dass wir möglichst zentral wohnen und gut angebunden sind an den öffentlichen Nahverkehr. Mein Arbeitsweg beträgt – von Haustür zu Arbeitstür – 15 Minuten mit dem Fahrrad. Bis zur KiTa brauchen wir zu Fuß auch höchstens 8 Minuten, denn die liegt direkt in unserer Straße. Die Schule ist etwa 15 Fußminuten in Kinderschritten entfernt.
Natürlich muss man hin und wieder den Zwischenstopp an der Eisdiele einplanen.
Die kurzen Wege haben oberste Priorität. Das bedeutet auch, dass wir nicht zum besten Zahnarzt der Stadt fahren, sondern uns mit den Angeboten in unserer Nähe zufriedengeben. Essen gehen wir häufig hier im Stadtteil, obwohl das Angebot etwas mau ist. Außerdem klappern wir eben nicht an einem Tag IKEA, das Sushi-Restaurant, den Spielplatz usw. ab, sondern müssen uns entscheiden, was davon wir machen wollen.
Ohne Auto zu leben schränkt uns auf jeden Fall ein, aber wir wählen dann naheliegendes: Wir können auch in der Nähe von IKEA etwas essen und einen Spielplatz besuchen und andere Aktivitäten werden auf den nächsten Tag verschoben.
Leben ohne Auto Nummer 5 – Sperrige Einkäufe transportieren
Als Familie stehen immer wieder größere Anschaffungen an, die nicht in die Handtasche passen: Sei es das Babybett oder der Kinderstuhl, das erste Fahrrad oder ein Schreibtisch. Irgendwas ist immer. Wie bekommt man Sperrgut ohne Auto nach Hause?
Lösung: Zunächst hat man die Chance noch einmal darüber nachzudenken: Brauchen wir diesen Gegenstand wirklich oder wäre es ein unbedachter Spontankauf? Falls die Anschaffung als notwendig eingestuft wird, kann man sich fast alles gegen Lieferkosten einfach zuschicken lassen.
Sogar bei eBay-Kleinanzeigen sind viele Verkäufer bereit, die Sachen vorbeizubringen, wenn man ihnen z. B. 10 € für die Lieferung oben drauf legt. Oder wir fragen Freunde und Bekannte mit Auto, ob sie uns helfen.
Leben ohne Auto Nummer 6 – Nachts wieder nach Hause kommen
Immer wieder ein Problem: Man ist auf einer Party und möchte nachts zurück nach Hause kommen. Entweder fährt der Bus nur noch 1x pro Stunde oder gar nicht mehr. Was macht man da?
Lösung: Wenn es wirklich eine Party war, habe ich sowieso Alkohol getrunken und würde nicht mehr Auto fahren. Fahrrad schon (Schande auf mein Haupt). Für mich ist Laufen durchaus auch eine Option – bis zu 60 Minuten mute ich mir nachts schon mal zu. Das tut nach den vielen Bier sogar ganz gut.
Grundsätzlich behalte ich aber den Fahrplan des Busses im Blick und gehe um 1 Uhr los, sollte um diese Zeit der letzte Bus fahren. Eine schöne Lösung ist auch, bei anderen zu übernachten. Ich jedenfalls liebe das. Oder man gönnt sich eine Taxifahrt.
Ohne Auto im Alltag – Vorteile im Rundumblick
Jeden Tag kann man die Welt um sich herum intensiver wahrnehmen, sich darin bewegen und einfach wohl fühlen. Es ist zugleich entspannend, gesund und entschleunigend – also genau das, was wir gut brauchen können.
Wie viel Kostet ein Auto pro Monat?
Ein weiterer Vorteil liegt meiner Meinung nach auf der Hand: die Kosten. Da wäre zum einen die Anschaffung, die bei einem Gebrauchtwagen zwischen 100 – 10.000 € liegt. Mit 3.000 € kann man für einen vernünftiges Auto schon rechnen, würde ich meinen.
Auf diese Auto-Kosten verzichten wir ebenfalls:
- Kraftstoff
- Parkgebühren
- Wagenwäsche
- Hauptuntersuchung
- Betriebsflüssigkeiten wie Motoröl
- Kfz-Steuer
- Versicherung
- Werkstattkosten
- evtl. Garagen- oder Stellplatzmiete
- Sonderzubehör (Navi, Winterreifen, Fahrradhalterung usw.)
- Vielleicht Strafzettel
Pro Monat belaufen sich laufende Kosten fürs Auto auf 200-400 €. Das sind 2.400-4.800 € Euro im Jahr.
Dem gegenüber stelle ich unsere Monatskarte der öffentlichen Verkehrsmittel (etwa 53 € / Monat) und Kosten für längere Bus- oder Bahnfahrten (z. B. einmalig 200 € für eine weite Deutschlandreise zu viert). Plus Reparaturen am Fahrrad: im Jahr 2018 waren das 130 €. In diesem Jahr (2021) habe ich 260 € gezahlt.
Ohne Auto leben – Ersparnis einmalig:
3000 € Auto Anschaffung – 4×300 € Fahrrad-Anschaffung
= 1.800 €
Wobei die meisten Familien mit Auto wahrscheinlich auch Fahrräder haben. Und ich weiß, dass es sich schlecht vergleichen lässt, weil die Kinder immer mal wieder ein neues Fahrrad brauchen.
Ohne Auto leben – Ersparnis jedes Jahr
Kosten fürs Auto: 12 x 400 € = 4.800 €
Kosten ohne Auto: 12 x 53 € + 260 € = 896 €
4.800 € – 896 € = 3.904 €
Ohne Auto sparen wir 3.904 € pro Jahr.
Finanztipp: Packe dir die Ersparnisse direkt jeden Monat zur Seite wie auf ein Tagesgeldkonto oder investiere sie direkt. So könnten wir innerhalb von 5 Jahren ca. 20.000 € sparen, nur weil wir kein Auto haben. Vielleicht klappt es auf diesem Wege mit der Rente ab 40?
Urlaubsreisen sind von der Berechnung ausgenommen, weil diese höchst individuell sind. Auch Taxi-Fahrten habe ich ausgeklammert, einfach weil wir seit Jahren nicht mehr Taxi fahren brauchten. Wir erreichen alles gut zu Fuß oder mit dem Fahrrad.
Werden wir in Zukunft ein Auto haben?
In zehn Jahren wird Maxi wahrscheinlich ihren Führerschein machen und im Jahr darauf Purzelchen, wenn die beiden wollen. Vielleicht finden sie unseren Lebenstil aber auch okay und führen ihn so weiter. Ich sehe meinen Mann und mich auch in Zukunft ohne Auto, aber natürlich kann niemand in die Zukunft schauen.
Wäre ein Leben ohne Auto für dich denkbar?
deine
Dresden Mutti
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